IT-ADVO-URTEIL OHNE RECHTSKRAFT
Warum das Versäumnisurteil gegen die Website vorsicht-it-advo.com nicht rechtskräftig ist Drei schwerwiegende Fehler im Verfahren
Das Landgericht Berlin II hat am 26. Mai 2025 ein Versäumnisurteil im einstweiligen Verfügungsverfahren gegen die Website vorsicht-it-advo.com erlassen (Az. 2 O 228/25 eV). Die Antragsteller wollten mit dieser Entscheidung Inhalte löschen lassen und Maßnahmen gegen den vermeintlichen Betreiber durchsetzen.
Doch das Urteil ist bis heute nicht rechtskräftig – und juristisch nicht vollstreckbar.
Der Grund: Gleich drei gravierende formale und rechtliche Fehler, die sich im Laufe des Verfahrens kumuliert haben. Jeder dieser formalen Mängel für sich allein führt bereits zur Unwirksamkeit der zugestellten Verfügung. In ihrer Kombination dokumentieren sie ein strukturelles Vollzugsversagen – die Verfügung entfaltet keinerlei Rechtswirkung.
Die drei Hauptgründe für die fehlende Rechtskraft im Überblick:
1. Zustellung an eine nicht handlungsfähige und nicht bevollmächtigte Rechtsanwältin
Das Urteil wurde an die Rechtsanwältin Katrin Kelch zugestellt, die zu diesem Zeitpunkt das Mandat für einen reinen Botendienst niedergelegt und dem Gericht ausdrücklich mitgeteilt hatte, dass sie weder willens noch zeitlich oder fachlich in der Lage sei, das Verfahren zu führen.
Eine solche Person kann nicht Prozessbevollmächtigte im Sinne von § 87 Abs. 1 ZPO sein – eine Zustellung an sie ist somit unwirksam.
2. Anlage AST 5 fehlt vollständig – kein Bestandteil der Zustellung
Die einstweilige Verfügung verweist ausdrücklich auf eine zentrale Anlage (AST 5), die den Gegenstand der beanstandeten Inhalte konkret benennen soll. Doch ausgerechnet diese entscheidende Anlage wurde nicht mit zugestellt – sie fehlt in der beglaubigten Abschrift vollständig.
Ein solch gravierender Formmangel führt dazu, dass das Urteil inhaltlich unvollständig ist. Die unterlegene Partei kann sich nicht wirksam verteidigen – Selbst ein Gerichtsvollzieher darf auf dieser Grundlage nicht vollstrecken, da der Vollstreckungstitel nicht vollständig übermittelt wurde.
3. Fehlendes Gerichtssiegel / fehlender Vermerk zur richterlichen Unterschrift im Originalurteil
Ein Urteil entfaltet nur dann Rechtskraft, wenn es auch im Original formell unterzeichnet oder entsprechend gekennzeichnet wurde. Auf der beglaubigten Abschrift fehlt der Vermerk zur Unterzeichnung bzw. das zwingend nötige Gerichtssiegel (gemäß § 169 Abs. 3 ZPO ab 01.07.2014) vollständig. Das Versäumnisurteil ist keine vollwertige gerichtliche Entscheidung – und somit nicht wirksam im Sinne der ZPO.